Bereits seit vielen Jahren warten die Anwohner der Hückelhovener Ortsteile Millich und Ratheim auf eine Entlastung der durch diese Orte führenden L117, die unter anderem die Autobahn A46 mit der B221 verbindet und deswegen durchgehend von Lkws und auch vielen Pkws befahren werden muss. Daraus resultieren erhebliche Lärm- und Abgasbelästigungen, Verzögerungen im Straßenverkehr und unmittelbar sichtbare Straßenschäden.

Nachdem sich 2013 bereits Bürgerinitiativen gebildet haben, die den Bau der Umgehungsstraße gefordert haben, wurde am 12.03.2015 im Kreistag Heinsberg beschlossen, dass die L117n gebaut werden soll.

Die Umgehungsstraße L117n soll vom Kreisverkehr an der Millicher Halde (Roermonder Straße / Am Landabsatz) in Hückelhoven bis zur alten L117 zwischen Ratheim und Wassenberg verlaufen. Dabei wird auch noch die Autobahnausfahrt “Hückelhoven-West” angebunden, die sich zwischen Ratheim und Millich befindet. Da die neue Straße zum Teil dicht an Wohnhäusern vorbei laufen wird, wurden außerdem viele Lärmschutzwände eingeplant.

Die Gesamtkosten des Projekts wurden damals bei der Genehmigung auf 15 Millionen Euro angesetzt. Fertig sein sollte die Straße nach sechs Jahren. Baubeginn war im Dezember 2015. Spätestens im aktuellen Jahr sollte also alles fertiggestellt sein. Von fertig kann derzeit allerdings keine Rede sein. Immerhin wurde zwischenzeitlich bei der Autobahnausfahrt der A46 eine Verbindung zwischen Millich/Ratheim und Schaufenberg gebaut. Fahrer, die in Richtung Schaufenberg möchten, können den Hotspot zwischen Millich und Ratheim also weitestgehend umfahren. Das trifft in der Regel aber nicht für Lkws zu. Diese befahren weiterhin die alte L 117.

Das größte Problem der neuen Umgehungsstraße scheint die Kreuzung zwischen der Jacoba- und Buscher Straße in Ratheim zu sein. Dort soll ein Trogbauwerk zum Einsatz kommen. Die neue Umgehungsstraße wird also unter der Kreuzung verlaufen. Der Bau des Trogbauwerks wurde bisher noch nicht begonnen. Laut Straßen.NRW gab es bisher “schwierige Rahmenbedingungen und zwischenzeitliche Richtlinienänderungen” auf Grund von “schwieriger Baugrundverhältnisse und räumlicher Zwangspunkte”.

So sieht die Kreuzung der Jacoba- und Buscher Straße in Ratheim im Juni 2022 aus. Die neue Umgehungsstraße L117n soll unter dieser Kreuzung verlaufen. Foto: hnsbrg.de

Im Herbst 2022 soll das Trogbauwerk in Auftrag gegeben werden. Voraussichtlich Anfang 2023 wird dann der Bau begonnen und soll Ende 2024 abgeschlossen sein. Anwohner können sich also auf eine lange Sperrung der Kreuzung einstellen. Es soll Umleitungen für Autos geben. Laut Straßen.NRW wird die Sperrung so kurz wie möglich erfolgen. Beim bisherigen Verlauf des Baus kann man leider nur vom Schlimmsten ausgehen. Wir haben Anwohner diesbezüglich nach ihrer Meinung befragt. Die meisten wundern sich, dass dort kein Kreisverkehr gebaut wird. Das würde auch die insbesondere zu Stoßzeiten sehr kurzen Grünphasen ersetzen und für einen besseren Fahrfluss sorgen.

So ein Trogbauwerk ist übrigens auch nicht gerade günstig. Von den ursprünglich veranschlagten 15 Millionen Euro sind die Verantwortlichen bereits abgewichen. Die gesamte Umgehungsstraße hat aktuell ein Budget von 30 Millionen Euro. Das Trogbauwerk alleine wird aber voraussichtlich 8 Millionen Euro kosten. Es ist sehr fraglich, ob das Budget von 30 Millionen Euro eingehalten werden kann. Ein Drittel der Kosten bezahlt die Stadt Hückelhoven und zwei Drittel werden vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert. Als Bürger muss man sich wirklich fragen, wieso zwei bis drei Mal so viele Steuergelder wie ursprünglich geplant ausgegeben werden müssen.

Dass oftmals Steuergelder verschwendet werden, ist für die meisten Bürger nichts Neues. Wo soll da die Katastrophe sein? Das Schlimmste der gesamten Planung kommt leider noch: Jeder Anwohner in der Nähe der Jacobastraße weiß, dass die Straße bei starkem Regen regelmäßig kaum befahren werden kann. Mehrere Teile der Straße sind in solchen Fällen überschwemmt. Die Umgehungsstraße L117n verläuft auf einem langen Abschnitt parallel zur Jacobastraße. Die L117n ist allerdings noch mal ein bisschen tiefer als die Jacobastraße. Man kann regelmäßig beobachten, wie sich dort Wasser ansammelt.

Auf der linken Seite sieht man die überschwemmte Jacobastraße im Juli 2019. Parallel und tiefer davon wird die L117n verlaufen. Foto: Privat

Den Höhepunkt dieser Tragödie gab es bei der Flut im letzten Jahr 2021. Die Jacobastraße musste kurz vor dem Kreisverkehr an der Feuerwehr in Ratheim gesperrt werden, da dort die Straße überschwemmt war. Parallel dazu war die noch nicht in Betrieb genommene, aber an dieser Stelle fertiggestellte L117n ebenfalls unter Wasser. Auch in Richtung Schaufenberg gab es Stellen, die kaum befahren werden konnten, wenn man nicht gerade ein Amphibienfahrzeug fährt. Natürlich kommt es nicht jedes Jahr zu so einer Flut bei uns, allerdings steht die Jacobastraße ja auch schon bei starkem Regen regelmäßig unter Wasser.

Wir haben die Stadt Hückelhoven und Straßen.NRW gefragt, ob Ihnen die Überschwemmungsproblematik der L117n bewusst sei und was sie dagegen tun wollen. Weder die Stadt Hückelhoven, noch Straßen.NRW war sich bewusst, dass es an dieser Stelle zu Überschwemmungen kommt. Jetzt kann man sich schon vorstellen, was mit dem 38-Millionen-Euro-Projekt passiert, sobald die Straße irgendwann fertig sein sollte und es zu starkem Regen kommt: gesperrt wegen Überschwemmung. Vermutlich muss dann wieder auf die alte L117 ausgewichen werden.

Wir haben unsere Erfahrungen mit Straßen.NRW geteilt und gefragt, ob sie nun die Planung diesbezüglich prüfen möchten. Die Antwort von Straßen.NRW:

“Straßen NRW sieht keinen Anlass zur weiteren Prüfung des Sachverhalts. […] Alle aktuell einzuhaltenden Richtlinien gehen von geringeren Sicherheiten gegen Starkregen aus.”

Medienbeauftragter des Landesbetrieb Straßenbau NRW via E-Mail vom 07.06.2022
Ein Pkw versucht an einem starken Regentag über die Jacobastraße zu fahren. Das Video entstand im Juli 2019, bereits zwei Jahre vor der Flutkatastrophe. Quelle: Privat

Das ist unserer Meinung nach sehr beunruhigend, wenn man bedenkt, dass es aufgrund des Klimawandels voraussichtlich zu extremeren Wettersituation kommen wird. Steuern wir vom nicht enden wollenden Katastrophen-Bau der L117n in die nächste Katastrophe einer regelmäßigen Überschwemmung der neuen Umgehungsstraße?